Pressemitteilungen 2021

Das Borsteler Modell: Ein Kulturwandel zur Unterstützung der wissenschaftlichen Integrität

Transparenz, Verantwortung und Redlichkeit sind die Basis wissenschaftlicher Forschung. Die Einhaltung dieser Grundsätze, also die wissenschaftliche Integrität, sind von höchster Bedeutung für die Qualität und die Glaubwürdigkeit jeder Forschungsarbeit. Um diese gute wissenschaftliche Praxis (GWP) zu fördern und in der Forschungskultur zu verankern, hat das Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum das "Borsteler Modell" entwickelt. Dieses Modell wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) als Best practice Beispiel auf ihrem Portal für Wissenschaftliche Integrität aufgenommen und in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift EMBO Reports beschrieben.

Vor zehn Jahren erschütterte ein Fall von wissenschaftlichem Fehlverhalten die Grundfeste des Forschungszentrums Borstel. Dreizehn Publikationen mussten damals zurückgezogen werden. Dieses Worst-Case-Szenario des Fehlverhaltens führte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den bestehenden Strukturen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Das Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum entschied sich damals gegen den Einsatz von Software und technischen Lösungen, um wissenschaftliches Fehlverhalten aufzudecken. Stattdessen wurde das Augenmerk auf die Kommunikation, die Transparenz und die Partizipation in der wissenschaftlichen Arbeit gelegt. Es sollte eine "Fehler-Lern-Kultur" entwickelt werden.

Den Grundstein bildete ein Workshop-Programm zur GWP für alle Forschungsgruppen am FZB. Hier wurden die Grundprinzipien der GWP, aber auch Interaktionspsychologie und Kommunikationslehre vermittelt. In praktischen Arbeitseinheiten wurde in den Forschungsgruppen in einem bottom-up Prozess eine Bestandsaufnahme, Analyse und Bewertung der Arbeits- und Teamsituation erstellt sowie Maßnahmen zur Verbesserung identifiziert und umgesetzt. Um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, setzt das FZB auf aktives Engagement aller Forschenden. GWP-Impulsgeber*innen (Scientific Integrity Scouts) geben in ihren Forschungsgruppen regelmäßig Anregungen, sich mit GWP auseinanderzusetzen.

"Die meisten Schulungsformate zur GWP richten sich an den wissenschaftlichen Nachwuchs, während etablierte Wissenschaftler*innen selten oder gar nicht mehr mit dem Thema konfrontiert werden. Unser Scouts Team besteht aus Personen mit verschiedenen Funktionen innerhalb des Forschungsprozesses, darunter Doktorand*innen, Post-docs und Laborant*Innen. Die Scouts fördern eine Atmosphäre der offenen Kommunikation und Transparenz in ihren Forschungsgruppen und haben den Prozess am FZB durch ihr Engagement und viele gute Ideen kontinuierlich vorangebracht." so Prof. Andra Schromm, Koordinatorin für Wissenschaftliche Integrität am FZB, Co-Initiatorin des Borsteler Modells und Coach des Scouts Teams. 

Das FZB ergänzt die Sicherung der wissenschaftlichen Qualität durch strukturelle und technische Maßnahmen. Ein zentrales Datenarchivierungssystem für alle Primärdaten, die in wissenschaftliche Veröffentlichungen eingehen, wurde eingeführt und stellt eine langfristige Nachprüfbarkeit sicher. Die Dokumentation der Daten ist für alle Beschäftigten verpflichtend. Ein Bonus für eine erfolgreiche Publikation wird nur ausgeschüttet, wenn diese auch dokumentiert und im Archivierungssystem abgelegt ist.

"Der Erfolg des Borsteler Modells lässt sich nicht so einfach überprüfen, wie wissenschaftliche Ergebnisse. Aber das positive Feedback der Mitarbeiter*innen, die allgegenwärtige Diskussion zur wissenschaftlichen Integrität und die verpflichtende Datendokumentation zeigt uns, dass ein wichtiger Kulturwandel stattfindet. Auch wenn das Borsteler Modell vorsätzliches wissenschaftliches Fehlverhalten nicht verhindern kann, sind wir überzeugt, dass gute wissenschaftliche Praxis so fest in die Forschungspraxis des FZB verankert wurde. Zur nachhaltigen Förderung unserer neuen Wissenschaftskultur sind die Scouts unsere wichtigsten Player", so Prof. Ulrich Schaible, Direktor des FZB.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat das "Das Borsteler Modell" als Best-Practice-Beispiel zur Umsetzung des "Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" (KODEX) auf ihrer neuen Website zur wissenschaftlichen Integrität. Der jetzt bei EMBO Reports veröffentlichte Artikel gibt Einblicke in die Entwicklung, aber auch die Herausforderungen bei der Etablierung des Scout-Systems am FZB. Dieses Modell kann als Blaupause für andere Institutionen und Universitäten dienen, um ähnliche Ansätze zu etablieren.

 

Publikation EMBO Reports

Kontakt:

Prof. Dr. Andra Schromm
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Prof. Dr. Ulrich Schaible
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!