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Deutscher Lungentag 2024: Asthma und Allergie im Fokus

Überblick über die Forschungsaktivitäten des Programmbereichs „Chronische Lungenerkrankungen“ am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum

Bereits zum 27. Mal findet an diesem Samstag der Deutsche Lungentag statt. Diese fortlaufende Aktion hat die Ziele, über Atemwegs- und Lungenkrankheiten aufzuklären, die Selbsterkennung entsprechender Symptome und Erkrankungen durch Betroffene zu fördern und die Forschung und Lehre in der der Pneumologie zu Stärken. In diesem Jahr stehen die Themen „Asthma und Allergie“ im Fokus des Informationstages. Auch am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum wird zu diesen Themen intensiv geforscht, um die Entstehung dieser Erkrankungen besser zu verstehen und um die Diagnostik und Therapie im Sinne des Patienten zu verbessern.

 
 
 
 

Das Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum beschäftigt sich mit den Ursachen und der Entstehung von Allergien, Asthma und der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Mit Hilfe von biologischen Markern können die Forschenden heutzutage Hinweise finden, ob Patientinnen und Patienten gesund sind, ein Risiko für eine Erkrankung haben oder bereits erkrankt sind. Die Identifikation neuer Biomarker ist daher ein wichtiger Bestandteil der Forschung, da sie einen Einblick über die jeweilige Krankheitsdynamik liefern und die Diagnostik und Therapie verbessern können. Dabei greifen die jeweiligen Schwerpunkte der Forschungsgruppen am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum wie Zahnräder ineinander.


Einzelne Eiweiße aus Allergenquellen konnten am FZB bereits als sogenannte Markerallergene für die Entstehung anaphylaktischer Reaktionen identifiziert und zur Verbesserung der Diagnostik für den individuellen Patienten eingesetzt werden. Dazu zählen Allergene der Hausstaubmilben und verschiedener Nahrungsmittel, wie Erdnuss, Weizen und Fleisch. Dank der Erkenntnisse der Forschung kann die Versorgung der Betroffenen durch Notfallsets oder durch das Einsetzen der richtigen Allergen-spezifischen Immuntherapie gewährleistet werden.

Am FZB wird an der Zecken-übertragbaren Säugetierfleischallergie, dem alpha-Gal-Syndrom, geforscht. Diese Allergie wird in Zukunft weiter zunehmen, da aufgrund des Klimawandels mit einer Zunahme der Zecken in unseren Gefilden zu rechnen ist. Wer aber glaubt, die ernährungsphysiologisch wertvolle vegetarische und vegane Ernährung mit u.a. Soja, Weizen, Lupine, ist ausschließlich gesund, irrt, da sie bei bestimmten Personen Anaphylaxien auslösen kann, was bedeutet, dass „gesund“ nicht gleichbedeutend mit „nicht-allergen“ ist. In Borstel wurde hierzu ein zelluläres Diagnoseverfahren optimiert und patentiert, das die Diagnostik – und damit auch Prävention und Therapie - von Allergien entscheidend verbessert.


Asthma, Allergien und COPD  sind durch viele verschiedene Faktoren beeinflussbar. Im FZB wird neben Markerallergenen ebenfalls der Einfluss von Luftschadstoffen, infektiösen Erregern und des Mikrobioms und deren Stoffwechselprodukte auf die Asthma und COPD-Entstehung erforscht. Dabei wird altersübergreifend zwischen den Verläufen bei Männern und Frauen unterschieden und die Krankheitsentstehung bei Kindern durch elterliche Lebensstilfaktoren untersucht. Dabei könnte sich eine besondere Gruppe von Mikroorganismen, die Archaeen, als interessant herausstellen, da Untersuchungen gezeigt haben, dass das Vorkommen bestimmter Archaeen-Spezies mit Asthma in Kindern assoziiert ist. Zurzeit laufen Untersuchungen, das komplette Archaeom, also die Gesamtheit aller Archaeen-Spezies, bei den Kindern zu bestimmen.


Neben der mikrobiellen Besiedelung sind wiederkehrende, virale Infekte besonders bei Kleinkindern ein sehr gut bekannter Risikofaktor für die spätere Asthmadiagnose. Aktuelle und sehr umfassende genetisch-funktionelle Analysen zeigen, dass eine geregelte und schützende Immunantwort der gesunden Atemwegsschleimhaut durch natürlich vorkommende Genvarianten beeinträchtig sein kann. Dies wiederum geht mit einer verminderten Abwehrfähigkeit gegenüber viralen Erregern einher und kann somit zu einem erhöhtem Asthmarisiko beitragen. Diese und weitere genetische Risiken (Lungenfunktionsverschlechterung in Kindern und Jugendlichen) sind durch hoch-moderne Verfahren bereits heute diagnostisch einsetzbar und können somit zukünftig für eine verbesserte Prävention dienen.


Auch der Einfluss bestimmter Botenstoffe, der Interleukine, ist Ziel der Forschung: Die phasenweise Verschlechterung des Asthmas, die von Patienten jeweils als sehr bedrohlich erlebt wird, scheint durch bestimmte Interleukine gesteuert zu werden: Dabei schüttet der Körper zum einen entzündungsfördernde Zytokine wie Interleukin 1 oder 6 aus, z.B. in Reaktion auf eine Infektion mit Viren oder Bakterien oder die Inhalation von Allergenen, um möglichst schnell eine Abwehrreaktion herbeizuführen und die Fremdstoffe aus der Lunge zu entfernen. Da eine solche Entzündungsreaktion auch immer mit einer Schädigung des körpereigenen Gewebes einhergeht, versucht der Körper diese Reaktion immer möglichst kurz ausfallen zu lassen und hemmt sie durch die Freisetzng entgegengerichteter Zytokine wie z.B. dem Interleukin 37. Gerade Patienten mit chronsich-entzündlichen Krankheiten wie dem Asthma zeigen häufig eine beeinträchtigte Freisetzung eben dieses Zytokins, so dass die Aufschlüsselung der Wirkung dieser Botenstoffe bereits zu neuen Therapiekonzepten führte, Diese so-genannten Biologika können inzwischen gezielt bestimmte Zielstrukturen der Krankheitsauslösung ansteuern.


Epidemiologische Studien zeigen zudem, dass elterliche Lebensstilfaktoren wie Rauchen oder Fettleibigkeit in der Schwangerschaft oder sogar vor der Zeugung die Lungengesundheit künftiger Kinder beeinflussen kann. Die Forschungsgruppe „Frühkindliche Asthmaprägung“ untersucht daher die Mechanismen, welche der frühen Prägung von Asthma und COPD zugrunde liegen, um daraus neue Strategien zu entwickeln, die das Auftreten dieser Erkrankungen verhindern.

Über die enge Anbindung an klinische Einrichtungen und Patientenkohorten kann die „Forschung mit Patienten für Patienten“ erfolgen. Die Ursachenforschung hat in Borstel aber immer auch die Vorbeugung im Blick: Das bessere Verständnis pathogenetischer Zusammenhänge wird zukünftig eine bessere Prävention ermöglichen, womöglich bereits vor der Geburt.

Relevante Publikationen

  • Darsow U*, Gelincik A*, Jappe U*, Platts-Mills TA*, Ünal D*, Biedermann T*. “News and Views” Algorithms in allergy: Diagnosis and treatment of alpha-gal syndrome. Allergy 2024, doi: 10.1111/all.16291.
  • Jappe U. Vegan Diet – Alternative Protein Sources as Potential Allergy Risk. Allergo J Int 2023; 32: 251-257.
  • Walsemann T, Böttger M, Traidl S, Schwager C, Gülsen A, Freimooser S, Roesner LM, Werfel T, Jappe U. Specific IgE against the house dust mite allergens Der p 5, 20 and 21 influences the phenotype and severity of atopic diseases. Allergy 2023;78(3):731-742. doi: 10.1111/all.15553.
  • Kuehnast T, Kumpitsch C, Mohammadzadeh R, Weichhart T, Moissl-Eichinger C, Heine H. Exploring the human archaeome: its relevance for health and disease, and its complex interplay with the human immune system. FEBS J. 2024 Mar 31. doi: 10.1111/febs.17123. Epub ahead of print. PMID: 38555566.
  • Chen J, Wang X, Schmalen A, Haines S, Wolff M, Ma H, Zhang H, Stoleriu MG, Nowak J, Nakayama M, Bueno M, Brands J, Mora AL, Lee JS, Krauss-Etschmann S, Dmitrieva A, Frankenberger M, Hofer TP, Noessner E, Moosmann A, Behr J, Milger K, Deeg CA, Staab-Weijnitz CA, Hauck SM, Adler H, Goldmann T, Gaede KI, Behrends J, Kammerl IE, Meiners S. Antiviral CD8+ T-cell immune responses are impaired by cigarette smoke and in COPD. Eur Respir J. 2023 Aug 3;62(2):2201374. doi: 10.1183/13993003.01374-2022. PMID: 37385655; PMCID: PMC10397470.
  • Svanes C, Holloway JW, Krauss-Etschmann S. Preconception origins of asthma, allergies and lung function: The influence of previous generations on the respiratory health of our children. J Intern Med. 2023 May;293(5):531-549. doi: 10.1111/joim.13611. Epub 2023 Mar 1. PMID: 36861185.
  • Jakwerth CA, Weckmann M, Illi S, Charles H, Zissler UM, Oelsner M, Guerth F, Omony J, Nemani SSP, Grychtol R, Dittrich AM, Skevaki C, Foth S, Weber S, Alejandre Alcazar MA, van Koningsbruggen-Rietschel S, Brock R, Blau S, Hansen G, Bahmer T, Rabe KF, Brinkmann F, Kopp MV, Chaker AM, Schaub B, von Mutius E, Schmidt-Weber CB; ALLIANCE Study Group as part of the German Center for Lung Research. 17q21 Variants Disturb Mucosal Host Defense in Childhood Asthma. Am J Respir Crit Care Med. 2024 Apr 15;209(8):947-959. doi: 10.1164/rccm.202305-0934OC. Erratum in: Am J Respir Crit Care Med. 2024 Jun 15;209(12):1519. doi: 10.1164/rccm.v209erratum9. Erratum in: Am J Respir Crit Care Med. 2024 Sep 1;210(5):697-698. doi: 10.1164/rccm.v210erratum3. PMID: 38064241.
  • Nissen G, Hinsenbrock S, Rausch TK, Stichtenoth G, Ricklefs I, Weckmann M, Franke A, Herting E, König IR, Kopp MV, Rabe KF, Göpel W. Lung Function of Preterm Children Parsed by a Polygenic Risk Score for Adult COPD. NEJM Evid. 2023 Mar;2(3):EVIDoa2200279. doi: 10.1056/EVIDoa2200279. Epub 2023 Feb 24. PMID: 38320054.

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