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Bild: Freepik

27.06.2025

Tuberkulose trifft Männer härter als Frauen

Männer mit Tuberkulose haben deutlich schlechtere Behandlungsergebnisse als Frauen. Dies ist das Ergebnis eines neuen internationalen Forschungsprojekts, an dem auch das Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum beteiligt war. Die Ergebnisse dieser Studie wurden nun in The Lancet Regional Health - Europe veröffentlicht.

Die arzneimittelresistente Tuberkulose (MDR-TB) stellt nach wie vor eine große Herausforderung für die öffentlichen Gesundheitssysteme dar. Generell sind mehr Männer als Frauen von Tuberkulose betroffen. Nach Schätzungen der WHO machen Männer mehr als die Hälfte der 10,8 Millionen Menschen aus, die sich weltweit jedes Jahr mit dieser Krankheit infizieren. Um die Ausbreitung resistenter TB-Stämmen zu stoppen, bedarf es neben einer frühzeitigen und effektiven Diagnostik zudem eine individuell angepasste Therapie. Ob eine medikamentöse Behandlung wirksam ist, hängt ebenfalls von sozialen, verhaltensbedingten und biologischen Faktoren des Erkrankten ab. Diese Aspekte wurden bisher nur selten in Studien miteinbezogen.

Die Forschenden haben daher Daten von mehr als 6.000 Tuberkulosepatienten aus der Ukraine, Georgien, Moldawien, Rumänien, Kasachstan und Kirgisistan der Jahre 2020-2022 analysiert und dabei eine eindeutige geschlechtsspezifische Diskrepanz des Therapieerfolges festgestellt: Während 30 % der Männer einen ungünstigen Behandlungsverlauf hatten - entweder in Form von Tod, Behandlungsversagen oder Behandlungsabbruch - war dies nur bei 19,5 % der Frauen der Fall.

Wenn jedoch Faktoren wie Alter, Schweregrad der Erkrankung, Arbeitslosigkeit, Bildungsniveau, Rauchen, sowie Drogen- und Alkoholmissbrauch in die Analyse einbezogen werden, verschwindet der statistische Unterschied zwischen den Geschlechtern. Dies deutet darauf hin, dass die schlechteren Behandlungsergebnisse bei Männern nicht auf biologische Unterschiede zurückzuführen sind.

Obwohl Frauen insgesamt besser abschneiden, zeigte die Studie auch, dass ältere Frauen stärker gefährdet sind als ältere Männer. Bei Frauen über 65 Jahren war die Wahrscheinlichkeit, an Tuberkulose zu sterben, doppelt so hoch wie bei Männern desselben Alters. „Dies könnte auf altersbedingte Unterschiede im Immunsystem zwischen den Geschlechtern zurückzuführen sein, aber auf der Grundlage dieser Studie können wir das nicht mit Sicherheit sagen. Sie zeigt jedoch, dass einige Gruppen von Frauen - insbesondere ältere Frauen - möglicherweise besondere Bedürfnisse haben, wenn es um Diagnose und Behandlung geht", sagt Victor Næstholt Dahl, Hauptautor der Studie und Wissenschaftler in der Abteilung für Infektionskrankheiten am Universitätskrankenhaus Aarhus.

Kontakt

Stefan Niemann

Prof. Dr. Stefan Niemann

T +49 4537 / 188-7620
F +49 4537 / 188-2091
sniemann@fz-borstel.de

Die Analyse basierte auf Daten der TB Portals Plattform (https://tbportals.niaid.nih.gov), einer einzigartigen, von den U.S. NIH/NIAID unterstützten Open-Access-Datenbank, die klinische, radiologische, Labor- und Ganzgenom-Sequenzierungsdaten von über 40 klinischen Zentren in 16 Ländern weltweit integriert. Das Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum ist ein langjähriger Partner von TB Portals und nutzt seine genomischen Daten, um die Mechanismen der Arzneimittelresistenz und der TB-Übertragung eingehend zu untersuchen.

"Diese Studie ist besonders wichtig, weil sie ein kritisches, aber oft übersehenes Thema hervorhebt: Geschlecht und Gender als signifikante Risikofaktoren im Zusammenhang mit der DR-TB-Behandlung. Die Erkennung und Berücksichtigung dieser Unterschiede kann dazu beitragen, die Behandlungsergebnisse zu verbessern und die Entwicklung wirksamerer, personalisierter Maßnahmen voranzutreiben", sagt Prof. Dmytro Butov, Hauptautor der Studie, Leiter des ukrainischen TB-Portal-Programms und Forscher, der sowohl am FZB als auch in der Ukraine arbeitet. "Unsere Zusammenarbeit mit dem Team von Professor Stefan Niemann ermöglicht es uns, modernste TB-Forschung auf globaler Ebene zu initiieren und voranzutreiben. Gemeinsam bringen wir Länder, Fachwissen und Menschen für ein gemeinsames Ziel zusammen - die Tuberkulose zu beenden."

Die Studie ist die erste, die sowohl allgemeine als auch geschlechtsspezifische Risikofaktoren für das Therapieversagen bei der Tuberkulose in mehreren Ländern Osteuropas analysiert hat.

Publikation:

Ole Skouvig Pedersen, Tetiana Butova, Valerii Miasoiedov, Yurii Feshchenko, Mykhailo Kuzhko, Stefan Niemann, Alex Rosenthal, Alina Grinev, Gabriel Rosenfeld, Michael Drew Hoppes, Julia Kilmnick, Valeriu Crudu, Nelly Ciobanu, Alexandru Codreanu, Bekzat Toxanbayeva, Lyailya Chingissova, Kateryna Yurko, Valerii Kucheriavchenko, Vitalii Vekshyn, Sergo Vashakidze, Natalia Shubladze, Zaza Avaliani, Abdullaat Kadyrov, Gulmira Kalmambetova, Merbubu Sydykova, Eugenia Ghita, Victor Ionel Grecu, Alina Marinela Miulescu, Christian Morberg Wejse, Andreas Fløe, Victor Naestholt Dahl, Dmytro Butov (2025). Sex differences in risk factors for unsuccessful tuberculosis treatment outcomes in Eastern Europe from 2020 to 2022: a multi-country retrospective cohort study, retrospective cohort study The Lancet Regional Health – Europe, Volume 55, 101354. Doi: https://doi.org/10.1016/j.lanepe.2025.101354

 

 
 
 
 

 

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