Pressemitteilungen 2021
Weltweit größte Tuberkulosestudie identifiziert genetische Ursachen von Arzneimittelresistenzen
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- 19.10.2021
Mit Hilfe modernster Verfahren zur Genomsequenzierung identifizierte ein internationales Forscherteam unter Leitung der Universität Oxford nahezu alle genomischen Veränderungen der Tuberkuloseerreger, die für Resistenzen gegen die dreizehn effektivsten und am weitesten eingesetzten TB-Medikamente verantwortlich sind. Die Ergebnisse dieser großangelegten und innovativen Studie wurden nun in verschiedenen Publikationen als Preprints veröffentlicht.
Im Rahmen des Forschungsprojektes „Comprehensive Research Prediction for Tuberculosis International Consortium (CRyPTIC)“ wurden insgesamt 15.211 Proben des Tuberkuloseerregers Mycobacterium tuberculosis untersucht. Die Proben kamen aus insgesamt 27 Ländern von 5 Kontinenten und stellen die größte je durchgeführte Studie auf diesem Gebiet dar.
Die Forschungsinitiative etablierte zudem entscheidende neuartige Verfahren zur quantitativen Messung der Resistenz und zur Bestimmung aller genomischen Veränderungen eines resistenten Erregers. Zusammen mit dem umfassenden Datensatz konnten die Forschenden quantifizieren, wie Veränderungen im genetischen Code der Tuberkuloseerreger die Wirksamkeit verschiedener Antibiotika verringern. Diese Erkenntnisse können in Zukunft zu einer grundlegenden Verbesserung in der Behandlung von Patienten mit resistenter Tuberkulose führen.
An der Tuberkulose sterben, mit Ausnahme von SARS-CoV-2, jährlich mehr Menschen als an jedem anderen Bakterium, Virus oder Parasiten. Die Krankheit ist eigentlich gut behandelbar, allerdings stellen in den letzten drei Jahrzehnten auftauchende Antibiotikaresistenzen ein schwerwiegendes Problem dar. Die Analyse des Genoms der Erreger auf Resistenzmutationen ermöglicht allen Betroffenen eine angepasste Behandlung und die beste Chance auf Heilung. "Diese innovative, groß angelegte, internationale Zusammenarbeit hat uns in die Lage versetzt, die bisher wahrscheinlich umfassendste Datenbank von genetischen Veränderungen zu erstellen, die für die Antibiotikaresistenz bei Tuberkulose verantwortlich sind", sagt Dr. Derrick Crook, Professor für Mikrobiologie an der Universität Oxford.
Das Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum war an dieser Studie maßgeblich beteiligt: Die Forschungsgruppe „Molekulare und Experimentelle Mykobakteriologie“ und ist des Bereichs TB des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) unter der Leitung von Prof. Stefan Niemann steuerte insgesamt mehr als 2.300 Genome bei und beschäftigte sich zudem mit den Resistenzmechanismen von Bedaquilin und Clofazimin, zwei wichtigen Arzneimitteln für die Therapie der multiresisteten Tuberkulose.
In einer Reihe von neun Preprint-Manuskripten, die jeweils einen anderen Aspekt des Fortschritts des CRyPTIC-Projekts dokumentieren, zeigen die Forschenden auf:
- Wie die neuen Resistenztests zu interpretieren sind [1] und wie ein umfangreiches bürgerwissenschaftliches Projekt zur Lösung dieses Problems beigetragen hat [2]
- Wie ein neuer Ansatz zum Nachweis und zur Beschreibung genetischer Veränderungen im Erregergenom die Art und Weise verbessert hat, wie genetische Veränderungen, die zu Arzneimittelresistenzen führen, nachgewiesen werden können [3].
- Wie diese Daten genutzt wurden, um das Erregergenom nach Veränderungen zu durchsuchen, von denen bisher nicht bekannt war, dass sie Arzneimittelresistenzen verursachen [4].
- Wie einzelne Mutationen und Mutationskombinationen nicht nur in "Resistent" oder "Sensibel" klassifiziert werden können, sondern auch mit geringfügigen Veränderungen in der Art und Weise, wie ein Medikament Tuberkulosebakterien abtötet, wodurch die Wirksamkeit der Behandlung verringert wird [5], wobei zwei neuen Verbindungen, die zur Behandlung von Tuberkulose eingesetzt werden, besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird [6].
- Wie künstliche Intelligenz anhand von Signaturen in der DNA-Sequenz Arzneimittelresistenzen vorhersagen kann [7].
- Wie diese Daten [8] zur ersten Liste von Resistenzmutationen im Erregergenom beigetragen haben, die von der Weltgesundheitsorganisation für die weltweite Verwendung freigegeben wurde [9].
Diese Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Bekämpfung der Tuberkulose zu verbessern und den Plan der Weltgesundheitsorganisation zur Beendigung des durch die Tuberkulose verursachten Leids durch eine bessere, schnellere und zielgerichtetere Behandlung resistenter Tuberkuloseerreger mittels genetischer Resistenzvorhersage zu unterstützen und den Weg zu einer universellen Resistenztestung zu ebnen.
„Die Möglichkeiten der Anwendung der Resistenzvorhersage durch Analyse des Erbguts von Tuberkulosebakterien in der klinischen Praxis werden zurzeit am Forschungszentrum Borstel in verschiedenen Studien z.B. im DZIF und dem Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation evaluiert“ sagt Stefan Niemann.
Die Daten, die jetzt frei verfügbar sind, können von der breiteren wissenschaftlichen Gemeinschaft genutzt werden, um das Verständnis der Tuberkulose zu verbessern und zu klären, wie diese wichtige Krankheit am besten behandelt werden kann.
Dieses Projekt wird vom MRC Newton Fund, dem Wellcome Trust und der Bill & Melinda Gates Foundation finanziert. Die Arbeit des Teams von Prof. Crook wird durch das NIHR Oxford Biomedical Research Centre's Antimicrobial Resistance and Microbiology Theme unterstützt. Das Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum ist Mitglied im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF).
Kontakt:
Weiterführende Informationen:
- Webseite des Comprehensive Resistance Prediction for Tuberculosis: an International Consortium (CRyPTIC): http://www.crypticproject.org/
Veröffentlichungen:
- Epidemiological cutoff values for a 96-well broth microdilution plate for high-throughput research antibiotic susceptibility testing of M. tuberculosis. The CRyPTIC Consortium (2021) medRxiv preprint. https://doi.org/10.1101/2021.02.24.21252386
- BashTheBug: a crowd of volunteers reproducibly and accurately measure the minimum inhibitory concentrations of 13 antitubercular drugs from photographs of 96-well broth microdilution plates. Fowler PW et al. (2021) biorXiv preprint. https://doi.org/10.1101/2021.07.20.453060
- Minos: variant adjudication and joint genotyping of cohorts of bacterial genomes. Hunt M et al. (2021). bioRxiv preprint. https://doi.org/10.1101/2021.09.15.460475
- Genome-wide association studies of global Mycobacterium tuberculosis resistance to thirteen antimicrobials in 10,228 genomes. The CRyPTIC Consortium (2021). bioRxiv preprint. https://doi.org/10.1101/2021.09.14.460272
- Quantitative measurement of antibiotic resistance in M. tuberculosis reveals genetic determinants of resistance and susceptibility in a target gene approach. The CRyPTIC Consortium (2021). bioRxiv preprint. https://doi.org/10.1101/2021.09.14.460353
- Deciphering Bedaquiline and Clofazimine Resistance in Tuberculosis: An Evolutionary Medicine Approach. Sonnenkalb L et al. (2021) biorXiv preprint. https://doi.org/10.1101/2021.03.19.436148
- A generalisable approach to drug susceptibility prediction for M. tuberculosis using machine learning and whole-genome sequencing. The CRyPTIC Consortium (2021). bioRxiv preprint. https://doi.org/10.1101/2021.09.14.458035
- A data compendium of Mycobacterium tuberculosis antibiotic resistance. The CRyPTIC Consortium (2021) bioRxiv preprint. https://doi.org/10.1101/2021.09.14.460274
- The 2021 WHO catalogue of M. tuberculosis complex mutations associated with drug resistance: A new global standard for molecular diagnostics. Walker et al. (2021) Lancet preprint. https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3923444 http://www.crypticproject.org/wp-content/uploads/2021/09/CRyPTIC9-WHO-preprint.pdf
Bitte beachten Sie, dass es sich bei diesen Manuskripten um Vorabdrucke handelt, die noch nicht von Fachkollegen geprüft wurden.
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Download Foto: Kerstin Pukall