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Wir haben ein Implementierungs-Problem

Nach COVID-19 ist die Tuberkulose ist die Häufigste zum Tod führende Infektionskrankheit auf der Welt. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Kontrolle der Tuberkulose vor allem durch das Auftreten von multiresistenten Stämmen der Tuberkulosebakterien erschwert. Nachdem neue Medikamente entwickelt wurden hat sich die Prognose für Patientinnen und Patienten, die an einer multiresistenten Tuberkulose erkrankt sind, erheblich verbessert. Daraufhin hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Herbst 2022 neue Leitlinien veröffentlicht, um die multiresistente Tuberkulose mit effektiveren Medikamenten über einen kürzeren Zeitraum von nur 6 Monaten, satt zuvor 18 Monate, und nur mit Tabletten anstatt mit Spritzen zu behandeln.

Ein Jahr später hat nun das Forschungsnetzwerk TBNET überprüft, in welchen Ländern der WHO Region Europa die neue Kombinationstherapie verfügbar ist und wo Labore die Empfindlichkeit der Tuberkulosebakterien gegen die 4 Medikamente der neuen Kombinationsbehandlung testen können. Das Ergebnis ist erschütternd. Obwohl die Medikamente auf der Liste der essentiellen Medikamente der WHO gelistet sind und die Behandlungserfolge mit der neuen Therapie um 30% besser sind, als mit der alten Therapie, ist die neue Therapie nur in der Hälfte der Länder der WHO Euro-Region verfügbar. Noch schlimmer ist es bei der Empfindlichkeitstestung. Hier sind gerade einmal 14 % der Länder in der Lage, die Empfindlichkeit der Bakterien gegen die Medikamente der Kombinationstherapie zu testen.

„Wir haben kein Forschungs- und Entwicklungsproblem“, so Professor Christoph Lange, Medizinischer Direktor am Forschungszentrum Borstel und Ko-Koordinator der Studie, „sondern ein Implementierungsproblem. Patientinnen und Patienten sterben, weil sie keinen Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten erhalten.“ Professor Lange stellt außerdem klar: „Die fehlende Kapazität für Empfindlichkeitstestungen der Tuberkulosebakterien gegenüber der neuen Kombinationsbehandlung ist eine Katastrophe. Wenn alle dieselbe Therapie erhalten, weil man nicht weiß, bei wem Bakterien empfindlich sind und bei wem nicht, züchtet man die resistenten Bakterienstämme heraus. Das ist ein Prinzip der Evolution. So ist in den 90er Jahren das Problem der multiresistenten Tuberkulose in vielen Ländern der ehemaligen Sowjetunion entstanden. Jetzt begehen wir denselben Fehler“. Lange und seine Kolleginnen und Kollegen vom TBNET plädieren dafür, dass die Entwicklung der Diagnostik von Antibiotikaresistenzen mit der Entwicklung von neuen Medikamenten und deren Einsatz Schritt halten muss. Am Forschungszentrum Borstel werden dazu innovative Methoden entwickelt und in Hochinzidenzländern der multiresistenten Tuberkulose getestet.

Publikation: Günther G, Guglielmetti L, Kherabi Y, Duarte R and Lange C for the TBNET. Availability of drugs and resistance testing for BPaLM regimen for rifampicin-resistant tuberculosis in Europe. Clin Microbiol Infect 2024 Clinical Microbiology and Infection, 2024, https://doi.org/10.1016/j.cmi.2024.03.009

Kontakt

Stefan Niemann

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christoph Lange

DZIF TTU TB (ClinTB)
T +49 4537 / 188-3010 (Sekretariat)
F +49 4537 / 188-6030
clange@fz-borstel.de

 

 

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