04.12.2024
Gute wissenschaftliche Praxis - vom KODEX in die Wissenschaft
Prof. Andra Schromm für innovatives Lernkonzept mit dem Sonderpreis Lehre ausgezeichnet
Gute wissenschaftliche Praxis (GWP) ist die Basis für exzellente Forschung und hat am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum einen hohen Stellenwert. Dabei setzt das FZB nicht auf einmalige Schulungen, sondern verfolgt ein partizipatives Konzept um gute wissenschaftliche Praxis nachhaltig in den Forschungsteams zu verankern und ebenso wie Technologien und Forschungsansätze kontinuierlich weiter zu entwickeln.
Die Sicherung wissenschaftlicher Integrität erfordert nicht nur reine Kenntnis der Regelwerke, sondern darüber hinaus konkrete Vorstellungen zur Umsetzung der Regeln im Forschungsalltag, eine offene, vertrauensvolle Atmosphäre, Kompetenz in den Grundlagen von Kommunikation und Interaktionspsychologie und eine konstruktive Kultur im Umgang mit Fehlern. Genauso wichtig sind geeignete Foren und Anreize, die Raum für die Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit Regeln und auch mit den Grenzen guter wissenschaftlicher Praxis bieten. Dies ist am Forschungszentrum durch die Beteiligung von Scouts in den Forschungsgruppen realisiert. Als Scientific Integrity Scouts übernehmen Promovierende, Postdocs oder technische Mitarbeitende Verantwortung für GWP, jedoch nicht als Kontrolleure, sondern indem sie Impulse in ihre Forschungsgruppen geben, die Umsetzung guter wissenschaftlicher Praxis auf einer ganz praktischen Ebene adressieren und eine konstruktive Fehler-Lern-Kultur in Forschungsgruppen fördern.
Die Ausbildung der Scientific Integrity Scouts basiert auf dem „Borsteler Modell der guten wissenschaftlichen Praxis“ zur Integration von Qualitätsmanagement in den Arbeitsalltag der wissenschaftlichen Forschung, das als best-practice Beispiel in den KODEX der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und den Leibniz-KODEX gute wissenschaftliche Praxis der Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen wurde. „Gemeinsam mit meiner Kollegin und Co-Dozentin Dr. Frauke Schocker lege ich das Fundament durch Vermittlung von GWP-Regeln, Kommunikationsmodellen und Grundlagen der Interaktionspsychologie. Dabei legen wir den Fokus besonders auf den Bezug zur Praxis in Forschungsgruppen aus verschiedenen Disziplinen und vermitteln den Scouts das Handwerkszeug für die Arbeit in ihren Gruppen.“, erläutert Professorin Andra Schromm das Konzept der Scientific Integrity Scouts, das sie am FZB ins Leben gerufen hat.
Kontakt
Prof. Dr. Andra Schromm
Leiterin der Forschungsgruppe "Immunbiophysik"
T +49 4537 / 188-2960
aschromm@fz-borstel.de
In Gruppenarbeit und Rollenspiel können die Scouts das Gelernte zunächst im Team der Scouts ausprobieren und dann in der Forschungsgruppe in Gruppen-Meetings oder bei Retreats einsetzen. „Die neuen Moderationskarten für Scouts helfen mir, GWP Themen kurz und prägnant vorzustellen und auch, wie ich als Scout dazu beitragen kann GWP zu fördern. Das kann ich ganz praktisch für die GWP-Aktivitäten in meiner Gruppe nutzen“, sagt Anika Rahman, Promovierende und seit kurzem im Team der Scouts dabei. „Als Scientific Integrity Scout profitiere ich selber immens, indem ich neue Methoden lerne mit Menschen zu interagieren und das Team zu stärken. Durch den Austausch bei den Scout Treffen lerne ich mit neuer Perspektive auf meine eigene Arbeit zu blicken und werde dadurch achtsamer im Forschungsalltag“, berichtet Dr. Christian Nehls. Durch die regelmäßigen Impulse der Scouts wird GWP ein fester Bestandteil im Forschungsprozess.
Bislang ist das Scout System ein Alleinstellungsmerkmal am FZB. Das Konzept ist aber durchaus für eine Adaption und Etablierung an anderen Instituten geeignet. Dr. Frauke Schocker, Co-Dozentin der Scouts, stellt heraus: „In diesem Jahr sind vier ProfessorInnen der Universität Lübeck, der Universität Hamburg und des Zentrums für Strukturelle Systembiologie (CSSB) mit ihren Gruppen in das Scout-Projekt eingestiegen. Wir haben deshalb ein besonderes Augenmerk auf das Onboarding-Konzept für neue Gruppen gelegt. Mit einer Kick-off Veranstaltung, in der auch die Teammitglieder abgeholt werden und dem Tandem-Prinzip ist der Start gelungen. Die Rückmeldung der neuen Scouts zeigt, dass dieser Einstieg eine sehr gute Basis für ihre Arbeit in den Gruppen schafft“.
Ist die erste Hürde erstmal genommen generiert die Multiplikator-Rolle der Scouts eine breite Wirksamkeit über die Ausbildung der Scouts hinaus in die Forschungsteams. Das System der Scouts realisiert damit in einzigartiger Weise einen Ansatz der Phasen-übergreifenden Ausbildung zu GWP, die in der Leitlinie 3 im KODEX der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) formuliert ist.
Die Universität zu Lübeck hat Frau Prof.in Andra Schromm jetzt für das innovative Lehrkonzept „Scientific Integrity Scouts Meeting. Gute wissenschaftliche Praxis (GWP) – vom KODEX in die Wissenschaft“ mit dem Sonderpreis Lehre ausgezeichnet. Der Preis wurde am 5. Dezember 2024 von der Präsidentin Prof. Gabriele Gillessen-Kaesbach auf dem Jahresempfang der Universität verliehen. Die Vorlesung wird als Aufbaukurs an der Universität zu Lübeck angeboten und richtet sich an Promotionsstudierende der Naturwissenschaften und der Medizin. Die Lehrveranstaltung ist nach einem Mixed-Method-Approach konzipiert. Es findet ein regelmäßiges Seminar mit Lehranteil, Gruppenarbeit und Peer-coaching statt. Fokus der Lehrvermittlung liegt auf der Sensibilisierung für GWP-Themen, Reflexion der Verantwortung und Rolle der Promovierenden, sowie der Methoden- und Kompetenzvermittlung zur aktiven Förderung einer Fehler-Lern-Kultur.
Prof.in Dr. Andra Schromm ist Leiterin der Forschungsgruppe Immunbiophysik am Forschungszentrum Borstel. Sie ist Mitbegründerin des Borsteler Modells zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis, seit 2010 Beirätin und Dozentin des strukturierten Ausbildungsprogramms Borstel Biomedical Research School für Promovierende und koordiniert seit 2012 die strategische Agenda für wissenschaftliche Integrität am FZB. Im Mai 2024 ist sie zum externen Mitglied der ständigen Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens der Freien Universität Berlin ernannt worden.
Referenz:
Schocker F, Fehrenbach H, Schromm AB. Mission impossible? A cultural change to support scientific integrity, EMBO Reports 2021. DOI 10.15252/embr.202052334
Weiterführende Links:
- Pressemitteilung der Universität zu Lübeck zur Preisverleihung
- Beitrag der Universität zu Lübeck zu dem Sonderpreis
- GWP am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum