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Prof. Dr. Pierre Stallforth (HKI), Prof. Andra Schromm (FZB), Dr. Laura Paulowski (FZB), Prof. Thomas Gutsmann (FZB) und Prof. Dr. Ludger Wessjohann (IPB) (v.l.n.r.) bei der gestrigen Preisverleihung am CSSB, Foto: Simon Pennuttis

calendar regular06.05.2022

Die Membran in Fokus – Forscherteam des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum mit dem Leibniz Wirkstoffpreis „Leibniz Drug of the Year 2022“ ausgezeichnet.

Ein neuartiger Wirkmechanismus liefert wichtige Perspektiven zur Immunkontrolle durch antimikrobielle Peptide und wurde mit der Auszeichnung „Leibniz Drug of the Year 2022“ gewürdigt. Der Preis wird am 5. Mai auf den Wirkstofftagen 2022 am Centre for Structural Systems Biology (CSSB) in Hamburg verliehen. Das Preiskomitee zeichnet Prof. Andra B. Schromm (Immunbiophysik), Dr. Laura Paulowski (Nationales Referenzzentrum für Mykobakterien) und Prof. Thomas Gutsmann (Biophysik) für ihre interdisziplinäre Forschungsarbeit aus.

Antibiotikaresistenzen stellen eine globale Herausforderung dar. Bei immer mehr Erregern verlieren Antibiotika ihre Wirksamkeit - die Erreger werden resistent. Dies stellt eine fundamentale Bedrohung für das weltweite Gesundheitssystem dar. Der Bedarf an neuen Wirkstoffen und Therapien ist immens und ungedeckt. Bei bakteriellen Infektionen werden Membranbestandteile dieser Erreger freigesetzt. Ein solcher Bestandteil ist das Lipopolysaccharid (LPS), ein sogenanntes Endotoxin, welches eine schwere Überreaktion des Immunsystems hervorruft. Diese Hyperinflammation ist Auslöser der bakteriellen Sepsis und tritt häufig bei akuten Lungenentzündungen und auch bei chronischen Lungenerkrankungen, wie z.B. bei der COPD, auf.

Die körpereigene Immunabwehr verfügt als Schutzschild vor Infektionen über antimikrobielle Peptide. Diese „natürlichen Antibiotika“ wirken nicht nur gegen Bakterien, sondern können gleichzeitig auch die dabei freigesetzten Endotoxine unschädlich machen und sind deshalb wertvolle Prototypen für die Identifizierung neuer Wirkstoffe. Die Forschungsgruppen um Prof. Andra B. Schromm (Immunbiophysik) und Prof. Thomas Gutsmann (Biophysik) am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum haben jetzt in einer Studie die immunologische Kontrolle durch membranaktive antimikrobielle Peptide genauer untersucht. Dr. Laura Paulowski hat zu diesem Thema fachbereichsübergreifend promoviert. Die Ergebnisse ihrer Doktorarbeit sind in diese Studie eingeflossen und haben maßgeblich zum Erfolg beigetragen.

Durch molekulare Auflösung der Prozesse an Membranoberflächen mit Hilfe hochauflösender Methoden am FZB und am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY), am Centre for Structural Systems Biology (CSSB) und am Europäisches Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) konnte das Forscherteam jetzt zeigen, wie zwei medizinisch relevante Peptide, das Cathelicidin LL-32 und das Polymyxin B, die bakteriellen Endotoxine entschärfen. Dies geschieht zum einen durch eine direkte Inaktivierung der Endotoxine durch Bindung der Peptide. Vor allem enthüllen die Studien aber auch einen bislang nicht beschriebenen Mechanismus der peptidvermittelten Immunkontrolle, die die Wirtszelle in den Fokus nimmt. Durch Einwirkung auf die Signal-gebenden Bereiche der Immunzellmembran wird die Entzündungsantwort der Zellen ganz gezielt unterbunden, ein Befund, der jetzt neue Möglichkeiten im Sinne einer Wirts-gerichteten Therapie eröffnet.

Für diese Forschungsergebnisse erhielten die Wissenschaftler*innen des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum nun den mit 2.000 Euro dotierten Preis „Leibniz Drug of the Year 2022“. Bereits zum 7. Mal verlieh der Leibniz-Forschungsnetzwerk "Wirkstoffe“ diesen Preis und würdigt damit wichtige Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der bioaktiven Wirkstoffe. Verliehen wurde der Preis von Prof. Ludger Wessjohann vom Leibniz Institut für Pflanzenbiochemie und von Prof. Dr. Pierre Stallforth vom Leibniz Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e.V. Hans-Knöll-Institut (HKI). Das FZB konnte sich bereits zum zweiten Mal über diese Auszeichnung freuen, denn bereits im Jahr 2017 wurde Prof. Thomas Gutsmann zusammen mit Wissenschaftler*innen des Hans Knoell Instituts Jena mit diesem Preis gewürdigt.

Die Umsetzung der Projektidee von Prof. Schromm und Prof. Gutsmann, die beide Mitglieder im Exzellenzcluster „Inflammation at Interfaces“ und dem Nachfolger „Precision Medicine in Inflammation“ sind, wurde auch durch eine Förderung im Exzellenzcluster ermöglicht.  An der Aufklärung der vielschichtigen Wirkungsweise der Peptide von den molekularen Prozessen über die Effekte auf menschlichen Immunzellen bis hin zum Tiermodell waren internationale Kooperationspartner aus Wien, Graz und Pamplona beteiligt. Die gewonnen Ergebnisse verbessern unser Verständnis darüber, wie Peptidantibiotika Entzündungen regulieren können, erheblich und werden für ihre Entwicklung und ihren therapeutischen Einsatz von Bedeutung sein.

 

Publikation:

Schromm AB, Paulowski L, Kaconis Y, Kopp F, Koistinen M, Donoghue A, Keese S, Nehls C, Wernecke J, Garidel P, Sevcsik E, Lohner K, Sanchez-Gomez S, Martinez-de-Tejada G, Brandenburg K, Brameshuber M, Schütz GJ, Andrä J, Gutsmann T. Cathelicidin and PMB neutralize endotoxin by multifactorial mechanisms including LPS interaction and targeting of host cell membranes. Proc Natl Acad Sci USA. 2021 Jul 6;118(27): https://doi.org/10.1073/pnas.2101721118

Kontakt

Prof. Dr. Andra Schromm
Forschungsgruppe Immunbiophysik
Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum
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Dr. Laura Paulowski
Nationales Referenzzentrum für Mykobakterien (NRZ)
Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum
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Prof. Dr. Thomas Gutsmann
Forschungsgruppe Biophysik
Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum
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