16.09.2025
Antibiotikaresistente Tuberkulose: Dringender Handlungsbedarf!
Eine aktuelle Studie mit Förderung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) warnt vor dem Beginn einer Epidemie der extensiv resistenten Tuberkulose (XDR-TB) in Europa, die Ärztinnen und Ärzte ohne wirksame Medikamente zur Behandlung von Tuberkulose zurücklassen könnte. Durchgeführt in der Republik Moldau, einem der Länder mit der weltweit höchsten Belastung durch resistente Tuberkulose, liefert diese Arbeit erstmals landesweite Belege in der nördlichen Hemisphäre für das Auftreten von Resistenzen gegen die Medikamente der WHO-Gruppe A – das Rückgrat der heutigen Tuberkulosebehandlung.
Die Analyse von mehr als 1.000 Patientinnen und Patienten, die zwischen 2021 und 2022 behandelt wurden, ergab, dass bei 40 % derer, bei denen die Therapie fehlschlug, die Tuberkulosebakterien neue Resistenzen entwickelten. Unter diesen Fällen waren die Raten alarmierend hoch: 75 % der Patienten mit Therapieversagen trugen Fluorchinolon-resistente Stämme, 40 % zeigten eine Resistenz gegen Bedaquilin, und 38 % waren resistent gegenüber Linezolid. Zuvor war eine Resistenz gegen Bedaquilin, das wichtigste Medikament in der Behandlung der resistenten Tuberkulose, vor allem in Südafrika dokumentiert worden.
Die moldauischen Daten zeigen nun, dass das landesweite Auftreten von Resistenzen gegen WHO-Gruppe-A-Medikamente auch in Europa stattfindet und die Befürchtung einer unkontrollierten Ausbreitung weckt. „Diese Ergebnisse sind ein Weckruf“, sagt Studienleiter Dr. Dumitru Chesov von der Staatlichen Universität für Medizin- und Pharmazie in Chișinău, Republik Moldau, der gleichzeitig als Wissenschaftler am Forschungszentrum Borstel, Leibniz-Lungenzentrum, in Deutschland arbeitet. „Die Resistenz nimmt gerade gegen die Medikamente zu, die das Rückgrat der Behandlungsregime für Patienten mit resistenter Tuberkulose bilden. Ohne dringende Maßnahmen könnte XDR-TB in der WHO-Region Europa zu einer verheerenden Epidemie werden.“
„Die Studie fordert sofortiges Handeln zur Stärkung der Resistenzüberwachung, zur Sicherstellung der Therapietreue und zur Anpassung individualisierter Behandlungsschemata“, ergänzt Seniorautor Prof. Christoph Lange, Medizinischer Direktor am Forschungszentrum Borstel. „Gleichzeitig muss die Entwicklung neuer Medikamente und Behandlungskombinationen, wie sie vom EU-IMI finanzierten UNITE4TB-Konsortium verfolgt werden, beschleunigt werden. Es ist nun entscheidend, eine Agenda für antimikrobielle Stewardship bei Tuberkulose in Europa umzusetzen, um das Entstehen neuer Resistenzen zu bekämpfen und die verbleibenden wirksamen Medikamente zu bewahren. XDR-TB ist keine ferne Möglichkeit mehr, sie findet bereits jetzt in Europa statt“, so Lange.
Publikation:
Chesov D, Reimann M, Mukherjee T, Tewatia K, Konstantynovska O, David A, Rusu D, Ciobanu N, Crudu V, Lange C. High rates of acquired resistance to fluoroquinolones, bedaquiline and linezolid in patients failing treatment against drug-resistant tuberculosis in the Republic of Moldova. Clin Microbiol Infect (2025). DOI: 10.1016/j.cmi.2025.09.003
Kontakt
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