Pressemitteilungen 2021

COVID-19-Pandemie erschwert den Kampf gegen Tuberkulose

Die COVID-19-Pandemie stellt das Gesundheitssystem weltweit vor erhebliche Herausforderungen und gefährdet die in den letzten Jahren erzielten Erfolge im Kampf gegen andere Infektionskrankheiten wie HIV, Hepatitis und Tuberkulose. Eine gemeinsam vom Nationalen Referenzzentrum für Mykobakterien am Forschungszentrum Borstel und dem WHO Regionalbüro für Europa durchgeführte Studie, die nun im Fachjournal Eurosurveillance veröffentlicht wurde, konnte zeigen, dass die COVID-19-Pandemie erhebliche Auswirkungen auf die Tuberkulose-diagnostik hat.

Jedes Jahr erkranken 10 Millionen Menschen an Tuberkulose, 1,4 Millionen Menschen verstarben allein 2019 an den Folgen der Erkrankung. Zur Bekämpfung der Tuberkulose formulierte die WHO in ihrer END-TB-Strategie das Ziel, die Erkrankungsinzidenz bis zum Jahr 2035 um 90% zu senken. Die Europäische Union war hier bislang auf einem guten Weg und konnte von 2015 bis 2020 einen prozentualen Rückgang der Tuberkuloseinzidenz um 19% erreichen. Auch bei der Reduzierung der Todesfälle konnten die Meilensteine der WHO knapp erreicht werden, wobei das vermehrte Auftreten hochgradig medikamentenresistenter Tuberkuloseerreger bereits seit einigen Jahren Anlass zur Sorge gibt. Erste Simulationen aus dem Jahr 2020 wiesen darauf hin, dass die COVID-19-Pandemie dazu führen könnte, dass die Erfolge der Tuberkulosebekämpfung der vergangenen Jahre ausgebremst und die angestrebten Meilensteine nicht mehr erreicht werden können.

Um die Effekte der COVID-19-Pandemie auf die Tuberkulosediagnostik genauer zu überprüfen, erstellte die Europäischen Laborinitiative und das Gemeinsame Programm für Tuberkulose, HIV und virale Hepatitis des WHO Regionalbüros für Europa eine Online-Umfrage, die an die 44 europäischen Referenzlaboratorien für Tuberkulose gerichtet war. Darunter befanden sich auch zehn Labore aus Ländern mit einer hohen Anzahl an Patient*innen mit multiresistenter Tuberkulose. „Wir wollten mit dieser Studie herausfinden, inwieweit die Arbeit von Tuberkuloselaboren durch die COVID-19-Pandemie beeinflusst wurde. Besonders interessiert hat uns, ob die befragten Labore weniger Proben erhielten, ob sie von Lieferengpässen bei Testreagenzien oder Schutzausrüstung betroffen waren und inwieweit sie durch Umwidmung von bereits vorhandener Laborinfrastruktur auch Tests zum Nachweis von SARS-CoV-2 übernommen haben“, erläutert Prof. Florian Maurer, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Mykobakterien am FZB, Mitglied der Europäischen Laborinitiative und Erstautor der Publikation. „Die Umfrage konnte zeigen, dass fast 90% aller teilnehmenden Labore in der WHO Euro Region Probenrückgange in der Tuberkulosediagnostik beobachtet haben. Knapp die Hälfte aller Labore war von Engpässen bei persönlicher Schutzausrüstung und Laborreagenzien betroffen. Zudem hat die Mehrheit der befragten Tuberkuloselabore auch SARS-CoV-2 Testungen übernommen, was mitunter zu einer erheblichen Mehrbelastung ohne zusätzliches Personal führte.“, so Maurer.

Die Gründe für den beobachteten Rückgang in der Tuberkulosediagnostik führen die Forscher auf eine länderabhängige Mischung aus eingeschränktem Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, verringerter Häufigkeit von Ambulanzbesuchen zur Behandlungsüberwachung und weniger grenzüberschreitender Migration im Vergleich zur Zeit vor SARS-CoV-2 zurück. „Neben den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Tuberkulosediagnostik belegt diese Studie auch die wichtige Rolle von Laboren der öffentlichen Gesundheitsfürsorge, besonders in ansonsten ressourcenschwachen Regionen. Als wichtige Lektion aus der COVID-19 Pandemie müssen wir solche Labore bezüglich ihrer Personaldecke, ihrer Infrastruktur und ihren Lieferketten weiter stärken, um für ähnliche Ereignisse in der Zukunft noch besser gerüstet zu sein.“

Kontakt:

Prof. Florian Maurer
Leiter des NRZ
Telefon: 04537 / 188-2110
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Publikation:

Maurer Florian P, Shubladze Natalia, Kalmambetova Gulmira, Felker Irina, Kuchukhidze Giorgi, Drobniewski Francis, Yedilbayev Askar, Ehsani Soudeh, The European Laboratory Initiative on TB, HIV and Viral Hepatitis. Impact of the COVID-19 pandemic on tuberculosis national reference laboratory services in the WHO European Region, March to November 2020. Euro Surveill. 2021;26(24):pii=2100426. https://doi.org/10.2807/1560-7917.ES.2021